Article: Universitäre Sprachenzentren in schwieriger Lage





Published in: Fremdsprachen und Hochschule 73 (2005), 135-148.
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Universitäre Sprachenzentren in schwieriger Lage – einige konzeptuelle Reflexionen

Thomas Tinnefeld (Göttingen)


0. Einleitung

Im folgenden soll zunächst ein kurzer Überblick über die aktuelle Situation vieler Sprachenzentren an Universitäten und Fachhochschulen gegeben werden. Danach wird auf die Möglichkeiten der “Versorgung“ der Bachelor- und Master-Studierenden – einer zunehmend wichtiger werdenden Klientel der Sprachenzentren - eingegangen. In einem weiteren Schritt wird die Ausweitung der Aktivitäten von Sprachenzentren auf den kostenpflichtigen Weiterbildungsbereich beschreiben.

1. Die aktuelle Situation vieler Sprachenzentren

1.1 Personalsituation

Die Personalsituation an vielen Sprachenzentren der Republik stellt sich in der Weise dar, dass sie äußerst angespannt ist und für Englisch oft die meisten Stellen aufweist, für Französisch und Spanisch (deutlich) weniger Stellen, und dass für die übrigen gelehrten Sprachen oft keinerlei feste Stellen zur Verfügung stehen. Hinzu kommt in aller Regel eine erhebliche Zahl an Lehrbeauftragten. Dazu kommen häufig eine Technikerstelle, mehrere Mediatheks- bzw. Bibliotheks-Aufsichtsstellen auf Teilzeitbasis sowie wissenschaftliche und/oder studentische Hilfskräfte. Eine Personalsituation wie die hier beschriebene ist in der Regel unzureichend. Auf dieser Ebene muss in Zukunft eine Ausweitung angestrebt werden.

1.2 Kursangebot

Das Kursangebot der Sprachenzentren umfaßt in aller Regel die Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch, ggf. auch Portugiesisch. Ein Angebot in weiteren Sprachen, unter anderem solchen „exotischen“ wie Chinesisch oder Japanisch, die in naher Zukunft bei weitem nicht mehr so exotisch sein werden, besteht bereits gegenwärtig. Auch auf dieserEbene wird in unmittelbarer Zukunft gehandelt werden müssen.

1.3 UNIcert

Viele Sprachenzentren sind Teil des UNIcert®-Verbundes. UNIcert® steht zugleich für ein übergreifendes Konzept hochschuzlspezifischen Fremdsprachenunterrichtes, für Einheitlichkeit in der Ausbildung und für ein entsprechendes Gütesiegel. Um das UNIcert®-Siegel führen zu dürfen, muss ein Sprachenzentrum sich zunächst akkreditieren und danach alle drei Jahre reakkreditieren lassen. Die Anforderungen für diese (Re-)Akkreditierungen sind in den letzten Jahren beachtlich gestiegen. Verbessert sich die Personalsituation vieler Sprachenzentren – und ebenso das Angebot an unterrichteten Sprachen - nicht bald grundlegend, dann ist deren weiterer Verbleib im UNIcert®-Verbund in Frage gestellt. Dieser ist jedoch wünschenwert, weil ein Sprachenzentrum in einem starken Verbund leichter existieren kann, als wenn es auf sich allein gestellt ist. Zudem legen die Studierenden immer größeren Wert auf eine UNIcert®-Prüfung: Ein Fremdsprachenzertifikat ohne dieses Gütesiegel reicht ihnen oft nicht mehr aus.

1.4 Auslastung und Abbrecher

In allen „großen“ Sprachen – also Englisch, Spanisch und Französisch – gibt es im Allgemeinen mehr Bewerber als Kursplätze. Besonders in Englisch und Spanisch ist die Zahl nicht in die Kurse aufgenommener Studierender in der Regel hoch. Im Französischen liegt die Aufnahmequote dagegen höher; in Italienisch und Portugiesisch gibt es oft mehr Kursplätze als Bewerber.

Auch wenn häufig keine offziellen Abbrecher-Statistiken bestehen, ist festzuhalten, dass deren Zahl generell zu groß ist. Viele Studierende schreiben sich für einen Kurs ein, stellen dann jedoch fest, dass sie sich übernommen haben, und setzen ihn nicht fort. Der Kursplatz ist danach aber für andere Studierende blockiert. Auf diese Weise verschwenden diese Abbrecher Steuergelder: Die für sie zur Verfügung gestellten Plätze verfallen; das für sie zur Verfügung gestellte Geld somit auch. Die Quote an Abbrechern wird in Zukunft drastisch reduziert werden müssen.

1.5 Gruppengröße

Die Gruppengröße in UNIcert®-Kursen liegt bei höchstens 20 Teilnehmern. Man darf sich an vielen Institutionen nur für einen einzigen Sprachkurs einschreiben. Damit soll vermieden werden, dass Studierende sich für mehrere Kurse eintragen, dann aber nur einen wahrnehmen. Trotz dieser Reglemetierung ist die Abbrecherquote – wie erwähnt – recht hoch. Es ist wünschenswert, die Gruppengröße auch in Zukunft konstant zu halten, und sie eher unter als über die „magische“ Grenze von 20 Teilnehmern gehen zu lassen.


2. Die Sprachenzentren und Bachelor- bzw. Master-Studierende

2.1 Vorgaben


Die beschriebene Situation legt den Schluss nahe, daß die universitären Sprachenzentren – um konkurrenzfähig zu bleiben – in Zukunft viel Leistung werden erbringen müssen, und dies mit immer weniger Geld von den Universitäten. Es müssen also mehr und andere Finanzquellen erschlossen werden als bisher. Damit treten die Sprachenzentren in ein neues Zeitalter ein. Nur wenn sie die mit diesem Schritt verbundenen Bedingungen erfolgreich umsetzen, werden sie ihre es ihre Zukunft als universitäre Einrichtungen langfristig sichern können.

Jedermann mag seine eigene Position zu den neuen Bacher- und Master-Studiengängen haben. So viel steht jedoch bereits heute fest: Die am 19. Juni 1999 in Bologna verabschiedete gemeinsame Erklärung „Der Europäische Hochschulraum“ stellt eine höchst einschneidende Veränderung des deutschen Hochschulwesens dar. Man verspricht sich von dem darin angestoßenen „Bologna-Prozess“ kürzere Studienzeiten, höhere Erfolgsquoten durch eine Straffung des Studiums sowie eine bessere berufliche Qualifizierung der Absolventen. Diese Ziele sind lobenswert; ihre bisherige Umsetzung ist dagegen nicht optimal. Was in diesem Kontext unbedingt vermieden werden muss, sind übereilte Handlungen – sowohl auf politischer Ebene im Allgemeinen und auf hochschulpolitischer im Besonderen als auch auf der Ebene der einzelnen Universitäten. Fakt ist, dass die Bachelor- und Master-Studierenden immer geballter auf die Universitäten – und somit auch auf die Sprachenzentren - zukommen werden. Bereits gegenwärtig wird deutlich, dass nicht alle diese Studierenden mit Kursen zur sprachlichen Qualifizierung versorgt werden können.

Um die Zukunft der Sprachenzentren zu sichern, wird es in Zukunft unumgänglich sein, auch die Studierenden als finanzielle Quelle heranzuziehen - was an immer mehr Institutionen auch bereits getan wird. Die Situation wird sich zwar modifizieren, wenn Studiengebühren eingeführt sein werden, dennoch wird auch danach die hier beschriebene Richtung aktuell bleiben.

Im Rahmen der aktuellen Entwicklungen ergeben sich die folgenden Gesichtspunkte:

- Sprachen gehören zu den Schlüsselfertigkeiten. Dabei ist es für Studierende wichtiger, eine Fremdsprache auf hohem und mehrere Sprachen auf mittlerem Niveau zu beherrschen als eine einzige Fremdsprache auf sehr hohem Niveau. Es ergibt sich hier die Chance der Ausnutzung der Sprachfamilien. Für die Romanischen Sprachen bedeutet dies beispielsweise, dass das Faktum genutzt werden muß, dass ein Studierender, der das Spanische relativ gut beherrscht, einen schriftlichen italienischen Text mittlerer Schwierigkeit in seinen großen Linien verstehen kann. An Sprachenzentren werden in Zukunft also auch Sprachkurse angeboten werden müssen, in denen solche sprachlichen Parallelen vermittelt werden: Es werden dabei immer mehr Lehrkräfte benötigt, die mehr als nur eine (Fremd)Sprache beherrschen. Die Kommunikationsfähigkeit in mehreren Fremdsprachen ist für die Beschäftigungschancen deutscher Hochschulabsolventen von entscheidender Bedeutung. Hier muss in Zukunft verstärkt angesetzt werden.

- Die Förderung der Mobilität der Studierenden - aber auch der Lehrenden, der Wissenschaftler und des Verwaltungspersonals. Erfolg und Qualität von Mobilität hängen ab von sprachlicher Vorbereitung und Unterstützung. In diesem Gesichtspunkt liegt eine große Chance für die Sprachenzentren: Nicht nur die Studierenden sind eine potentielle Zielgruppe, sondern auch die anderen, an der Universität tätigen Gruppen. Mobilität ist also zum einen eine Chance für den Arbeitsmarkt, zum anderen jedoch auch eine mögliche Einnahmequelle, die im Rahmen der Weiterbildung des Hochschulpersonals durchaus genutzt werden sollte.

- Die Bedeutung der Fachsprachen. Die Studierenden müssen nicht nur in mehreren Fremdspachen fit gemacht werden, sondern vielmehr in der Beherrschung einzelner Fachsprachen. Was nützt es einem Juristen, wenn er sich in allgemeinsprachlichem Englisch oder Französisch adäquat ausdrücken kann, von der Rechtssprache des Englischen oder Französischen jedoch keine konkrete Vorstellung hat? Das Sprachenlernen wird also immer mehr zu einem Fachsprachenlernen werden. In dem Ausbau des Angebotes an unterrichteten Fachsprachen wird eine wichtige, zukunftsweisende Orientierung der Sprachenzentren liegen.

- Der Ausbau von Partnerschaften mit ausländischen Sprachenzentren. Kooperationen mit Sprachenzentren in England, den USA, Frankreich, Spanien oder Italien könnten zum Studenten- und Dozentenaustausch führen und die Sprachfähigkeit der Lernenden erhöhen. Auf diese Weise könnten sie auch interkulturell sehr schnell und authentisch lernen. Eine solche Sprachvermittlung wäre lebensnahes Lernen – sie wird bisher noch viel zu selten praktiziert.
Ein weiterer Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ist die Stärkung der Kooperation mit Sprachenzentren der jeweils eigenen Region. Warum sollte man deren Potential an Lehrkräften und Studierenden nicht nutzen? Hier könnten sich auf der Ebene der Qualifikation von Lehrkräften und auch auf der Ebene möglicher Lehrgangsteilnehmer ungeahnte Ressourcen ergeben.

- Die Vermittlung von Fremdsprachen als interkultureller Prozeß. Studierende müssen mehr und mehr an Fremdsprachen herangeführt werden und diese als interkulturelle Phänomene begreifen. Auf diesen Gesichtspunkt wird später noch detaillierter eingegangen (vgl.3.1.2).

- Die Erhöhung der Anzahl derjenigen Studierenden, die Fremdsprachen erlernen – und der Anzahl der gelernten Sprachen. Hier bestehen Möglichkeiten, die in Zukunft noch effizienter als bisher genutzt werden müssen. Die aufgezeigten Chancen sind ein richtiger und ein wichtiger Schritt dorthin.

2.2 Einführung von Kursgebühren

Die Einführung von Kursgebühren sieht an vielen Sprachenzentren wie folgt aus: Ausgehend von einer durchschnittlichen Kursgröße von 20 Teilnehmern - zur Zeit erhält ein Lehrbeauftragter pro Unterrichtsstunde ein Honorar von etwa 16,-- bis 20,-- Euro - bei einem Kurs von 4 SWS und 13 Unterrichtswochen (14 Wochen minus Einschreibungswoche), ergibt sich ein Honorar von 832,-- bis 1040,-- Euro pro Kurs. Rechnet man diesen Betrag auf die Studierenden um, ergibt sich eine Kursgebühr von 41,60 bis 52,-- Euro. Geht man von einer Kursgebühr von 40,-- bis 50,-- Euro aus, deckt diese im Wesentlichen zumindest das bisherige Honorar der Lehrbeauftragten ab. Kostendeckung für die Kurse insgesamt wird nicht angestrebt und kann auch nicht angestrebt werden.

Mit diesem Modell wird es möglich, die Kurse der Lehrbeauftragten finanziell erheblich zu entlasten. Diese verursachen somit ungleich geringere Kosten als bisher, Somit werden in Zukunft sehr viel mehr Kurse angeboten werden können als heute. Wir werden also wirklich bedarfsgerecht agieren und solche Veranstaltungen anbieten können, die für die Studierenden interessant sind. Solche Kurse mussten bisher oft allein aus finanziellen Erwägungen wegfallen. Die aufgezeigten Veränderungen stellen eine große Chance für die universitären Sprachenzentren dar und werden in Zukunft auch von denjenigen Institutionen umgesetzt werden müssen, die sich ihnen bisher noch entzogen haben.

Ein Problem könnte in der Akzeptanz dieser Maßnahme durch die Studierenden bestehen. In einer informellen Umfrage, die von mir im vergangenen Wintersemester unter den Studierenden durchgeführt wurde, ergab sich in etwa folgenden Bild: Ein Drittel der Studierenden würde eine Kursgebühr von 40,-- bis 50,-- Euro weitgehend unproblematisch zahlen. Ein Drittel würde zwar murren, aber dennoch weiterhin Kurse am Göttinger Sprachlehrzentrum belegen, und ein Drittel würde keine Kurse mehr bei uns absolvieren. Ob diese letzte Gruppe sich eine Kursteilnahme nicht doch überlegen würde, wenn sie sähe, dass die Kommilitonen sich ebenfalls sprachlich weiterbilden, sei dahingestellt. Eines ist jedoch sicher: Die Einführung von Kursgebühren in der beschriebenen Höhe wird diejenigen Studierenden abhalten, die nur mäßig ineteressiert sind und einen Kurs mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin abgebrochen hätten. Es bleibt somit die Gruppe derjenigen, die wirklich engagiert und strebsam sind und die einen einmal begonnenen Kurs auch zu Ende führen werden. Somit würde durch diese Maßnahme auch eine qualitative Verbesserung der Adressatengruppe erzielt.

Unabdingbare Voraussetzung für die Einführung von Kursgebühren ist jedoch die Qualität des Unterrichts: Studierende, die für eine Dienstleistung zahlen, erwarten notwendig mehr Gegenleistung als solche, die sie kostenlos in Anspruch nehmen können. Es wird in Zukunft also noch mehr als bisher darauf geachtet werden müssen, die Qualität des Unterrichts zu gewährleisten. Es wird somit auf eine dauerhafte Qualitätssicherung (u.a. durch Fortbildung) ankommen.


2.3 Kombination von Präsenzphasen und autodidaktischer Arbeit der Studierenden

Zusätzlich zu diesen Maßnahmen wird jedoch ungleich mehr zu tun sein, um die universitären Sprachenzentren zu Gewinn bringend arbeitenden Einrichtungen zu machen. Eine solche Möglichkeit besteht darin, einige Kurse in einer Kombination aus Präsenzphase (2 SWS) und autodidaktischem Anteil (ebenfalls 2 SWS) anzubieten. Diese zwei autodidaktisch ausgerichteten Semesterwochenstunden können in der Mediathek und/oder zu Hause mit dem Internet oder bei der Erarbeitung umfangreicher Hausaufgaben erbracht werden. Gerade durch das Internet ist eine solche Konzeption sehr interessant und sinnvoll, da die Studierenden zum einen gern mit diesem Medium arbeiten. Zum anderen stehen ihnen hier authentische Informationen zur Verfügung, die für eine (auto)didaktische Umsetzung sehr zugänglich sind. Eine solche Lösung ist besonders dann interessant, wenn man die noch bestehende Begrenzung der Lehrbeauftragten-Stunden auf höchstens 7 oder 8 SWS bedenkt: Dadurch könnte die doppelte Anzahl an Kursen angeboten und somit die Auslastung der Sprachenzentren deutlich verbessert werden. Durch diese Maßnahme ergäbe sich eine Kostenersparnis von 50 %. Zudem würden dann die Mediatheken und Selbstlernzentren viel besser ausgelastet. Nach diesem Modell müssten die Studierenden lediglich 75 % der normalen Kursgebühren zahlen und hätten somit einen finanziellen Vorteil.

2.4 Einführung eines Tutoren-Systems

Zudem ist die Einführung eines Tutoren-Systems denkbar. Mit der Mikroform dieses Systems habe ich selbst fünf Jahre lang die besten Erfahrungen gemacht. In dieser Zeit betreute ich jeweils einen französischen Stipendiaten der Robert-Bosch-Stiftung, der für ein Jahr in Deutschland war und u. a. Unterrichtserfahrung sammeln sollte. Da von der Stiftung keinerlei Programm vorgesehen war, erarbeitete ich mit diesen französischen Studierenden eines. Unter anderem konnten sie in Grundstufenkursen des Göttinger Sprachlehrzentrums unterrichten, und ich betreute und begleitete sie fachdidaktisch. Der Unterricht, den sie boten, entsprach natürlich nicht immer demjenigen einer erfahrenen Lehrkraft – aber er war in vielerlei Hinsicht ungleich lebendiger und experimentierfreudiger – was von den Kursteilnehmern sehr dankbar angenommen wurde. Hinzu kommt, dass Studierende in fremdsprachendidaktischer Hinsicht oft äußerst kreativ sind. Diese Kreativität kann hier nutzbringend eingesetzt werden. Ein solches System könnte in der Situation der problematischen Finanzlage der deutschen Hochschulen in größerem Maßstab übernommen werden.

Dies kann in folgender Weise vor sich gehen: Studierende, die die Zertifikatsprüfung mit mindestens der Note „gut“ absolviert haben, würden in Grundstufe I- und Grundstufe II-Kursen unterrichtsbegleitend eingesetzt – ähnlich wie ein Tutor in den Sachfächern die Vorlesung seines Professors begleitet. Das Entgelt für diese Tutoren und Tutorinnen läge deutlich unter dem der lehrbeauftragten Kollegen. Dies ist nicht viel, aber man muss bedenken, dass es im Allgemeinen viel mehr Interesse an einer Hiwi-Tätigkeit gibt als Stellen. Auf diese Weise könnten Studierende, die sonst keinerlei Chance dazu hätten, eine Hiwi-Stelle bekommen. Die Kursteilnehmer erhielten auch hier einen Kursgebühr-Rabatt von 25 %. Somit wäre beiden Seiten geholfen.

Die Tutoren bekämen durch diese Arbeit Unterrichtserfahrung und Erfahrung in der Arbeitswelt allgemein. In Verbindung mit einem qualifizierten Zeugnis am Ende ihrer Tätigkeit wäre ihnen damit auch qualitativ gedient.

Für die universitären Sprachenzentren wäre eine solche Lösung ungleich besser als eine Auslagerung der Grundstufen-Kurse an z. B. die Volkshochschule, was ja bereits vielerorts geschehen ist. Bei dem hier vorgestellten Modell verbliebe die Qualitätskontrolle der grundständigen Sprachausbildung wenigstens an der Universität.


2.5 Aufhebung der 7-Stunden-Grenze der Lehrbeauftragten

Die 7-Stunden-Grenze der Lehrbeauftragten sollte so bald wie möglich fallen – was ja zur Zeit wohl auch schon angedacht wird. Diese Begrenzung führt dazu, daß die Lehrbeauftragten von ihrem Honorar „nicht leben und nicht sterben“ können. Zudem wären viele Kollegen bereit, mehr Kurse als bisher anzubieten, und es könnte dadurch mehr auf Kontinuität gesetzt werden: Es müsste nicht jedesmal, wenn ein Kollege aufhört, ein neuer Kollege gesucht werden, sondern man könnte die frei werdenden Stunden innerhalb des Kollegiums umverteilen. Die lehrbeauftragten Kolleginnen und Kollegen könnten sich dabei auf ihre Uni-Tätigkeit konzentrieren und müssten sich nicht bei mehreren unterschiedlichen Arbeitgebern „verdingen“. Dadurch würde auch ihr Arbeitsergebnis insgesamt verbessert. Es ergäbe sich somit auch ein Fortschritt in Sachen Qualitätssicherung.

2.6 Gründung eines Sprachenzentrums-Alumni-Vereins

Ein weiterer Gesichtspunkt, der durchaus finanzträchtig wäre, ist die Gründung eines Sprachenzentrums-Alumni-Vereins an den einzelnen Einrichtungen. Adressaten wären alle Kursteilnehmer, die Interesse an einer Mitgliedschaft hätten. Wenn jeder Studierende als Mitglied nur 10,-- Euro Jahresbeitrag entrichten würde, dann würde diese Summe – in ihrer zu erwartenden, linearen Entwicklung - das Budget der Sprachenzentren nennenswert erhöhen. Ein Rechenbeispiel: Ausgehend von den 2500 Studierenden, die ein gegebenes Sprachenzentrum pro Semester hat, kann man zugrunde legen, dass es in einem Jahr insgesamt von etwa 3500 verschiedenen Studierenden frequentiert wird. Wenn nur 10 % dieser 3500 Studierenden Mitglied in diesem Verein würden, dann würde dies im ersten Jahr eine Summe von 3500,-- Euro ergeben– zugegeben nicht viel. Im zweiten Jahr würde die Mitgliederzahl aber auf – schlecht gerechnet – 500 anwachsen (= 5000 Euro zusätzlich) und auch in jedem weiteren Jahr um weitere 150 Studierende. Dies würde in 10 Jahren eine Zahl von 102.500 EUR ausmachen. Zum Vergleich:

________Jahr_______Mitglieder________ EUR
_________1___________ 350____________ 3500
_________2___________500____________ 5000
_________3___________650____________ 6500
_________4___________800____________8000
_________5___________950____________ 9500
_________6__________ 1100____________11000
_________7__________ 1250____________12500
_________8__________ 1400____________14000
_________9__________ 1550____________15500
________10__________ 1700____________17000
________________________________102500,-- EUR

Von dieser Summe abgezogen werden müssten die entstehenden Verwaltungskosten. Legt man diese modellhaft mit 10 % an, dann ergibt sich immer noch eine Summe von 89.550,-- Euro in zehn Jahren!

Die Vorteile einer solchen Mitgliedschaft, die die Studierenden haben könnten, wären die folgenden:
- Die kostenlose Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen des jeweiligen Spachenzentrums;
- Eine prozentuale Ermäßigung der Kursgebühren, je nach Dauer der Mitgliedschaft (Treue-Modell);
- Die bevorzugte Benutzung der Mediathek;
- Die Möglichkeit der Ausleihe des ansonsten nur als Präsenzbestand zugänglichen Bibliotheksbestandes der Einrichtung;
- Die kostenlose Überprüfung der fremdsprachigen Bewerbungsunterlagen der Studierenden für Auslandsaufenthalte und Praktika;
- Die fremdsprachliche Betreuung der Studierenden auch während der Semesterferien (in denen zumeist sehr viele Sprachkenntnisse verloren gehen);
- Die bevorzugte Behandlung ihrer Kinder durch das Sprachenzentrum, und zwar dann, wenn diese an derselben Universität studieren. (Hierdurch würde auch die Anbindung an die Heimatuniversität der Eltern bzw. eines Elternteils über die einzelne Generation hinweg gefördert).

3.Ausweitung auf den kostenpflichtigen Weiterbildungsbereich

3.1 Gewinnung von Firmenkunden


Wenn universitäre Sprachenzentren als Einrichtungen stärker und größer werden sollen und wenn sie sich mehr und mehr selbst tragen sollen, dann werdensie in der Tat nicht umhin können, sich auf den kostenpflichtigen Weiterbildungsbereich auszudehnen. Die erste Maßnahme, die in diesem Zusammenhang in die Tat umzusetzen sein wird, besteht darin, Firmen als Kunden zu gewinnen. Eine zentrale Frage ist in diesem Zusammenhang, inwiefern Sprachenzentren für Firmen interessant sein und welche Angebote sie ihnen machen können. Dabei muss bestehende Nachfrage bekräftigt und zugleich neue Nachfrage geschaffen werden. Auf diese Gesichtspunkte wird im Folgenden eingegangen.

3.1.1 Vermittlung von Verhandlungstechniken

Ein wichtiger Baustein eines Kursprogramms für Firmen kann in der Vermittlung von Verhandlungstechniken bestehen. Leitfragen können hier sein:
- Wie muss man – im Deutschen und auch in den Fremdsprachen – verhandeln, um rasch und effizient zu Abschlüssen zu gelangen?
- Wie sehen die möglichen Erwartungen der Verhandlungspartner aus? Wie kann diesen entsprochen werden?
- Welche Fehler sollten in Verhandlungen unbedingt vermieden werden?
- Ist es sinnvoll, in solchen Sprachen, die „man“ eigentlich nicht beherrscht – wie z.B. Chinesisch oder Japanisch – Höflichkeitsfloskeln anzuwenden, um die Gesprächspartner auf seine Seite zu bringen? Die Antwort lautet: Ja! So kann es durchaus sinnvoll sein, chinesischen Gschäftspartnern in ihrer Muttersprache einige allgemeine Fragen zu stellen wie:
- Ni shi di-yi-ci lai Deguo ma?[1] (Sind Sie zum ersten Mal in Deutschland?).
- Ni xi-huan Deguo ma? (Gefällt es Ihnen in Deutschland?).
- Ni you hai-ze le ma? (Haben Sie Kinder?).
Ein solches, sprachlich aufgeschlossenes Verhalten öffnet Türen.
- Als weitere Fragen ergeben sich: Welche kulturellen Hintergründe der Verhandlungspartner sollte man kennen? Wie können sich diese fruchtbar auf Verhandlungsverlauf und Verhandlungsergebnis auswirken?

Mit Blick auf den Fremdsprachenbereich im engeren Sinne könnten solche Inhalte vermittelt werden wie:
- Grundlagen der Verhandlungssprache des Englischen, Französischen, Spanischen, etc.
- Grundlagen der Wirtschaftssprache des Englischen, Französischen, Spanischen, etc.
- Grundlagen der jeweiligen Rechtssprache.
Der fachsprachliche Bereich ist somit von eminenter Bedeutung auch für die Einrichtung von Firmenkursen (vgl. auch 2).

3.1.2 Interkulturalität

Ein Gesichtspunkt, der von ebenso großer Bedeutung ist, ist derjenige der Interkulturalität. Es wird unbedingt notwendig sein, diesen Aspekt zentral in Firmenkursen zu berücksichtigen (vgl. auch 3.1.1). In der Regel werden entweder Sprachkurse angeboten oder Kurse zur Interkulturalität, wie z.B. interkulturelle Rollenspiele. Die Trumpfkarte der universitären Sprachenzentren könnte darin liegen, beides – also Sprachvermittlung und Interkulturalität - zentral zu vermitteln, also beide Bereiche zu integrieren. Diese Integration würde eine Neuerung auf dem Markt darstellen; durch diese Integration würden die Sprachenzentren attraktiv.

3.2 Herausstellung der Sprachenzentren gegenüber anderen Anbietern

Über die bisher beschriebenen Gesichtspunkte wird es wichtig sein, die Sprachenzentren der Universitäten in Zukunft mehr als bisher als vorteilhaft gegenüber anderen potentiellen Anbietern herauszustellen. Eine sich dabei bietende Möglichkeit ist es, den wissenschaftlichen Charakter, den die meisten Sprachenzentren bisher zu wenig innehaben, der aber in Zukunft wird verstärkt werden müssen, hervorzuheben. Wenn viele Sprachenzentren auch mehr und mehr zu Dienstleistungseinrichtungen innerhalb der Universitäten degradiert worden sind, so bedeutet dies nicht, dass jeglicher wissenschaftliche Charakter dieser Einrichtungen außen vor bleiben muß. Wissenschaftlichkeit soll in diesem Zusammenhang nicht heißen, abgehoben „im Elfenbeinturm“ zu agieren, wie dies bisweilen gern dargestellt wird. Wissenschaftlichkeit bedeutet vielmehr, attraktive Angebote zu machen, die deswegen interessant sind, weil sie Wissenschaft und Praxis miteinander verbinden. Fremdsprachenvermittlungsangebote, die wissenschaftlich fundiert sind, wird nur die Universität auf adäquatem Niveau bereitstellen können. Alle anderen Anbieter werden dagegen nach raschem Erfolg und Profit schielen; die Grundlagen ihrer Angebote werden dabei notwendigerweise auf der Strecke bleiben. Diese wissenschaftsbasierte Ausrichtung der Universitäten sollten die Sprachenzentren in Zukunft deutlicher herausstellen – und ihre Angebote dabei in einen modernen, fortschrittlichen, dynamischen Ansatz integrieren.

3.3 Engere Kooperation mit anderen Instituten und Einrichtungen der Universitäten

Eine wichtige Rolle wird in diesem Zusammenhang ebenso die enge Kooperation der Sprachenzentren mit anderen Instituten und Einrichtungen der Universitäten spielen müssen. Als Beispiel möchte ich in diesem Zusammenhang meine Kooptierung mit dem Romanischen Seminar der Universität Göttingen nennen. Durch diese Kooperation entsteht mehr als bisher eine enge Verzahnung zwischen Wissenschaft und Praxis: Am Sprachlehrzentrum gebe ich Sprachkurse; am Romanischen Seminar unterrichte ich Französische und Spanische Sprachwissenschaft und Fachdidaktik auf Hauptseminarebene und führe Staatsexamensprüfungen durch. In der deutschen Bildungslandschaft stellt eine solche Konstellation eine Ausnahme dar: Es ist höchst selten, daß ein und dieselbe Person Philologiestudierende in Fachdidaktik unterrichtet und selbst im Sprachlehrbetrieb tätig ist. Die meisten Fachdidaktik-Dozenten haben seit mehreren Jahren bzw. Jahrzehnten keinen Sprachkurs mehr von innen gesehen. Diese Konstellation ist somit für Philologiestudierende von großem Vorteil.

Aber auch umgekehrt ist sie vorteilhaft – für das Sprachlehrzentrum. Dadurch, dass ich „gezwungen“ bin, durch meine Tätigkeit am Romanischen Seminar fachdidaktisch auf dem neuesten Stand zu bleiben, kann ein Sprachunterricht geboten werden, der ohne diesen Hintergrund nicht realisiert werden könnte. Nutznießer sind die Studierenden; Nutznießer ist aber auch der Ruf des Sprachlehrzentrums. Solche Kooperationen müssen in Zukunft verstärkt und ausgeweitet werden, um die Synergie-Effekte, die sich daraus ergeben, effizienter zu nutzen.

3.4 Regelmäßige öffentliche Veranstaltungen

Eine weitere Möglichkeit, in den kostenpflichtigen Weiterbildungsbereich hineinzukommen, sind regelmäßige öffentliche Veranstaltungen, die die Sprachenzentren planen und durchführen müssen. Hierfür sollen die folgenden Beispiele stehen:

- Eine solche Veranstaltung könnte eine „Einführung in die Rhetorik und Sprecherziehung“ sein. Adressaten sind hier aber nicht die Studierenden, sondern vielmehr Arbeitnehmer, die ihr persönliches Auftreten verbessern möchten, um beruflich weiterzukommen, die sich jedoch die teuren Trainingsseminare, die es auf dem Markt gibt, nicht leisten können oder wollen. Die Sprachenzentren müssten hier etwas preiswerter sein, dabei aber deutlich machen, daß sie besser sind. Solche Seminare könnten ein Wochenende dauern und pro Teilnehmer etwa 100,-- Euro einbringen. Bei 20 Teilnehmern, (also 2000,-- Euro), 20 Unterrichtsstunden und 25,-- Euro Stundenhonorar für die Lehrkraft (= 500 Euro) ergäbe sich ein Gewinn von 1500,-- Euro an einem Wochenende.

- Workshops zu bekannten Autoren (Shakespeare, Molière, Cervantes ... ) für Studierende des dritten Lebensalters und andere Interessierte. Diese Veranstaltungen sollten mit Anteilen in der Fremdsprache versehen sein, also mit Diskussionen bzw. Vorträgen in leichtem bis mittelschwerem Englisch, Französisch, Spanisch usw. Daneben existieren Vorträge und Diskussionen auf Deutsch. Adressaten sind eine oft finanzstarke Gruppe der Bevölkerung – Senioren und Seniorinnen -, die bereits die Volkshochschule und andere Bildungsträger ähnlicher Art frequentieren, jedoch dort nicht immer Befriedigung finden bzw. in ihrem Bildungsanspruch nicht ausgelastet sind. In Wochenendveranstaltungen könnten hier ähnliche Gewinne erzielt werden wie mit den genannten Rhetorik-Veranstaltungen.

- Prüfungsvorbereitungskurse für Philologiestudenten (ähnlich den Repetitorien in Jura): Studierende weisen in der Regel große Unsicherheiten auf, wenn sie sich der Prüfung nähern. Sie haben oft keinen adäquaten Überblick über ihre Fächer bzw. Teilfächer: Sie wissen nicht, wie sie sich schnell und effizient Informationen verfügbar machen können. Sie sind nicht damit vertraut, autodidaktisch zu lernen. Hier könnten die Sprachenzentren einsetzen. Dabei könnte man sich zwei Veranstaltungstypen denken:
- Veranstaltungen über ein oder eineinhalb Jahre hinweg, in denen die Studierenden zweimal pro Woche jeweils 4 Stunden lang auf ihre Prüfungen vorbereitet werden. Wenn hierbei pro Einzelstunde eine Gebühr von 3,-- Euro erhoben würde, wären solche Kurse in der Regel gut belegt und würfen bei 20 Teilnehmern und einem Stunden-Honorar von 25,-- Euro für die Lehrkraft einen Gewinn von 500,-- Euro pro Monat und Kurs ab.

- Ein weiterer Veranstaltungstyp wären Wochenendveranstaltungen, in denen – entweder isoliert oder in einem Modulsystem in Kombination – ein Überblick über eine literarische Epoche, eine Gattung, einen Autor oder über eine Epoche der Sprachgeschichte, eine linguistische Ebene (wie Wortschatz oder Satzbau), ein Gebiet der Fachdidaktik (z. B. Mediendidaktik, Mehrsprachigkeitsdidaktik) oder ein Gebiet der Landeswissenschaft (The Norman Conquest, Französische Revolution, Spanischer Bürgerkrieg) gegeben würde. Bei einer Gebühr von 100,-- Euro pro Wochenende pro Teilnehmer und 25,-- Euro Stunden-Honorar für die Lehrkraft ließen sich bei 20 Teilnehmern wiederum etwa 1500,-- Euro verdienen.

Nun sind diese Teilnehmerzahlen nicht zuverlässig und dauerhaft nur mit Studierenden einer einzigen Universität zu erzielen, da sich die einzelnen Inhaltsbereiche zu sehr aufsplitten. Es ist jedoch sicher davon auszugehen, dass sich ein solches Angebot durch die Kooperation mehrere Sprachenzentren (vgl. auch 2.1) realisieren ließe. Es ergibt sich unter dieser Maßgabe eine potentielle Zahl an Klienten, die ein solches System dauerhaft tragfähig erscheinen lässt.

4. Abschließende Bemerkungen

Es ist deutlich geworden, daß eine Vielzahl von Möglichkeiten existiert, um die Sprachenzentren der Universitäten und Fachhochschulen von ihren Angeboten her ungleich attraktiver zu machen und sie auch finanziell in die Lage zu versetzen, sich nicht nur eines Tages selbst zu tragen, sondern darüber hinaus für ihre jeweilige Hochschule profitabel zu werden. Wichtig ist jedoch, daß die Gewinnung von außeruniversitären Kunden und die Umsetzung betriebswirtschaftlicher und finanzieller Maßnahmen gegenüber den Studierenden nur dann Erfolg haben kann, wenn sie fachlich motiviert ist. Mit fachlich meine ich hier Erwägungen zur Fremdsprachenvermittlung und Fremdsprachendidaktik. Nur so werden die Sprachenzentren sich in Zukunft behaupten können: Mit einer fremdsprachendidaktisch fundiert ausgebildeten Leitung, die aufgrund dieser Ausbildung Marktchancen erkennt und dann in der Lage ist, diese – flankiert durch betriebswirtschaftliche Aspekte – umzusetzen. Nur eine solche Umsetzung, die auf einer soliden fachlichen Basis beruht, kann erfolgreich sein.


[1] Zum Zwecke eines besseren Verständnisses wird hier die Hanyu-Pinyin-Umschrift gewählt.